Pflegeversicherung und Realkosten

Pflegeversicherung und Realkosten

von Norman Wiesner

Demographischer Wandel


Die Lebenserwartung der deutschen Bevölkerung steigt rasant. Bereits heute sind mehr als 17 Millionen Deutsche älter als 65 Jahre. Tendenz steigend. Dieser Personenkreis ist in erhöhtem Maße vom Risiko der Pflegebedürftigkeit betroffen. Resultierend aus dem demographischen Wandel wurde in Deutschland 1995 das „Gesetz zur sozialen Absicherung des Risikos der Pflegebedürftigkeit“ verabschiedet. Nach dem Grundsatz „Pflegeversicherung folgt Krankenversicherung“ sind die Träger der Pflegepflichtversicherung die soziale Pflegeversicherung und die privaten Versicherungsunternehmen.

Versicherter Personenkreis

Für die beitragsfreie Mitversicherung von Kindern ergeben sich folgende Bedingungen
• Kinder, bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres
• Kinder, bis zur Vollendung des 23. Lebensjahres, wenn nicht erwerbstätig
• Im Rahmen einer Schulausbildung, Studium, freiwilliger Wehrdienst bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres.
• Ehegatten mit einem Verdienst unter der Geringfügigkeitsgrenze

Begriff der Pflegebedürftigkeit nach SGB XI

Seit dem 01.01.2017 werden körperliche, geistige und psychische Einschränkungen gleichermaßen erfasst und in die
Einstufung einbezogen. Mit der Begutachtung wird der Grad der Selbstständigkeit in sechs verschiedenen Bereichen
gemessen und – mit unterschiedlicher Gewichtung – zu einer Gesamtbewertung zusammengeführt. Daraus ergibt sich
die Einstufung in einen Pflegegrad.

Soziale Pflegepflichtversicherung Private Pflegepflichtversicherung
• Alle Pflichtmitglieder der gesetzlichen Krankenversicherung
• Alle freiwillig gesetzlich Krankenversicherten
• alle Familienversicherten (Kinder, Ehepartner) in der gesetzlichen Krankenversicherung sind auch beitragsfrei in der   Pflegeversicherung mitversichert

• Alle privat Krankenvollversicherten mit einem Tarif, der allgemeine Krankenhausleistungen beinhaltet

• Kinder sind beitragsfrei in der privaten Pflegeversicherung mitversichert.
• Beihilfeberechtigte Personen (Beamte, auch Empfänger freier Heilfürsorge wie Soldaten) Mobilität Bewertung 10%
(z.B. Fortbewegen innerhalb des Wohnbereichs,Treppensteigen etc.) Kognitive und kommunikative Fähigkeiten Bewertung 7,5% (z.B. örtliche und zeitliche Orientierung etc.) Verhaltensweisen und psychische Problemlagen Bewertung 7,5% (z.B. nächtliche Unruhe, selbstschädigendes und autoaggressives Verhalten) Selbstversorgung Bewertung 40% (z.B. Körperpflege, Ernährung, etc.) Bewältigung von und selbstständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen Bewertung 20% (z.B. Medikation, Wundversorgung, Arztbesuche, Therapieeinhaltung) Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte Bewertung 15% (z.B. Gestaltung des Tagesablaufs)


Folgende fünf Grade der Pflegebedürftigkeit werden unterschieden

Gesetzliche Regelungen der privaten Pflegepflichtversicherung

Die folgenden Bedingungen gelten für alle Verträge, die nach der Einführung der Pflegepflichtversicherung 1995 abgeschlossen wurden.

• Kontrahierungszwang
• Kein Ausschluss von Vorerkrankungen
• Keine längeren Wartezeiten als in der sozialen Pflegeversicherung
• Keine Staffelung der Beiträge nach Geschlecht
• Keine Beitragshöhe, die den Höchstbeitrag der sozialen Pflegeversicherung übersteigt
• Beitragsfreie Mitversicherung der Kinder des Versicherungsnehmers

Einstufung in den Pflegegrad

Soziale Pflegeversicherung Private Pflegeversicherung Über den medizinischen Dienst der Kranken- und Pflegekassen
(MDK) Über die Firma Medicproof (Tochtergesellschaft des PKVVerbands)

• Pflegegrad 1
• Pflegegrad 2
• Pflegegrad 2 mit eingeschränkter Alltagskompetenz
• Pflegegrad 3
• Pflegegrad 3 mit eingeschränkter Alltagskompetenz
• Pflegegrad 4
• Pflegegrad 4 mit eingeschränkter Alltagskompetenz
• Pflegegrad 5

Soziale Pflegeversicherung Private Pflegeversicherung

Beitragsberechnung 2,55 % vom Bruttogehalt
Arbeitnehmer und Arbeitgeber teilen sich den Beitrag (je 1,275%)
Kinderlose Arbeitnehmer zahlen nach Vollendung des 22. Lebensjahres einen Zuschlag von 0,25%

Nach dem Eintrittsalter
Zum Teil nach Gesundheitszustand
(Vorerkrankungen können zu einem Risikozuschlag führen) Höchstbeitrag 2,55% der Beitragsbemessungsgrenze (4.350 €)
Siehe Höchstbeitrag soziale Pflegeversicherung

Für Personen mit Beihilfeanspruch gilt ein Höchstbeitrag von 40% des allgemeinen Höchstbeitrags (2,55% v. 4.350 €)
Ehegattenhöchstbeitrag: bei 150% des Gesamtbeitrages
Beitrag zur sozialen und privaten Pflegepflichtversicherung

Leistungen aus der Pflegeversicherung

Häusliche Pflege

Die Leistungen aus der privaten Pflegepflichtversicherung müssen den Leistungen der sozialen Pflegeversicherung nach
Art und Umfang gleichwertig sein. Der Unterschied besteht darin, dass privat Versicherte keine Sachleistung, sondern eine
der Höhe nach gleiche Kostenerstattung erhalten.

Mit ambulanten Pflegesachleistungen können Versicherte die Hilfe eines ambulanten Pflegedienstes in Anspruch nehmen.
Ambulante Pflegesachleistungen können auch mit dem Pflegegeld kombiniert werden.
Sachleistungen (monatlich) Geldleistungen (monatlich)

Pflegegrad 1 Leistungen nach § 28a SGB XI Leistungen nach § 28a SGB XI
Pflegegrad 2 689 € 316 €
Pflegegrad 3 1.298 € 545 €
Pflegegrad 4 1.612 € 728 €
Pflegegrad 5 1.995 € 901 €

Stationäre Pflege monatlich

Pflegegrad 1 Zuschuss in Höhe von 125 Euro
Pflegegrad 2 770 €
Pflegegrad 3 1.262 €
Pflegegrad 4 1.775 €
Pflegegrad 5 2.005 €
Für Versicherte in vollstationärer Pflege (Pflegegrade 2 bis 5) wird ein einrichtungseinheitlicher Eigenanteil festgeschrieben.

Übergangspflege für Menschen ohne Pflegestufe bzw. Pflegegrad

Es gibt Fälle, in denen Menschen vorübergehend Pflege benötigen, ohne dass eine Pflegebedürftigkeit im Sinne der Pflegeversicherung vorliegt, zum Beispiel nach einer Operation oder aufgrund einer akuten schwerwiegenden Erkrankung.
Bisher hatten Patientinnen und Patienten hierbei keinen Anspruch auf gesetzliche Leistungen. Diese Versorgungslücke
schließt das Krankenhausstrukturgesetz mit der sogenannten Übergangspflege als neue Leistung der Krankenkassen.

Eintritt des Pflegefalles – Welche Kosten entstehen für Pflegebedürftige und Angehörige?

Pflegegrad 1 Pflegegrad 2 Pflegegrad 3 Pflegegrad 4 Pflegegrad 5
Leistungen aus der gesetzlichen Pflegeversicherung
125 € (Entlastungsleistung) 689 € 1.298 € 1.612 € 1.995 €
* beispielhaft für ein Pflegeheim in Bayern (96123 Litzendorf)

Pflegegrad 1 Pflegegrad 2 Pflegegrad 3 Pflegegrad 4 Pflegegrad 5
Durchschnittliche Kosten pro Monat*
2.068,86 € 2.487,82 € 2.979,82 € 3.492,82 € 3.722,82 €

Leistungen aus der gesetzlichen Pflegeversicherung
125 € 770 € 1.262 € 1.775 € 2.005 €

Eigenleistung durch den Versicherten

1.943,86 € 1.717,82 € 1.717,82 € 1.717,82 € 1.717,82 €

Die Kosten für die häusliche Pflege durch einen Pflegedienst müssen individuell berechnet werden, da es hierfür keine
einheitlichen Preise bei den Pflegediensten gibt. Hierbei sind zum einen die unterschiedlichen Preise der Pflegedienste,
zum anderen die gewünschten Leistungspunkte (z. B. Hilfe beim An- und Auskleiden, Rasieren, Kämmen, Mund- und
Zahnpflege, Teil- oder Ganzkörperwäsche,Transfer...) zu berücksichtigen. Pro Leistungswunsch wird ein individueller Wert
in Euro zwischen Pflegekasse und Pflegedienst ausgehandelt. Zusammen mit den Zusatzkosten (Anfahrtskosten) und
abzüglich der gesetzlichen Leistungen ergibt sich der Eigenanteil für Pflegebedürftige bzw. deren Angehörige.

Kosten bei häuslicher Pflege durch einen Pflegedienst

Frau Meier ist pflegebedürftig und hat Pflegegrad 3. Ihr häuslicher Pflegedienst kostet insgesamt 1.565,21 €. Von ihrer
gesetzlichen Pflegeversicherung erhält Sie einen Beitrag in Höhe von 1.298 €. In diesem Fall beträgt die Eigenleistung von
Frau Meier 267,21 €, die sie monatlich für ihren ambulanten Pflegedienst bezahlen muss.

Das Kostenbeispiel macht deutlich, dass die Eigenleistung durch den Versicherten für die häusliche oder stationäre Pflege
kaum aufzubringen ist. In diesem Fall müssen die Angehörigen für eine gute Betreuung im Pflegefall tief in die Tasche
greifen. Per Gesetz sind die Nachkommen oder nächsten Verwandten dazu verpflichtet, finanziell für die pflegebedürftigen
Angehörigen aufzukommen (§ 1601 BGB).

Es ergeben sich je nach Pflegegrad große Versorgungslücken zwischen Kosten und Leistung, die oft nicht vollständig zu
schließen sind. Eine Unterbringung in einem kostengünstigeren Pflegeheim oder die Kosteneinsparung bei dem häuslichen
Pflegedienst sind für den Versicherten oft eine unschöne Alternative.

Leistungsbeispiel:
Kosten bei vollstationärer Pflege im Pflegeheim

Schließung der Versorgungslücke mit einer Pflegezusatzversicherung

Checkliste bei Eintritt des Pfl egefalls – was ist zu beachten?

1. Benachrichtigung der Kranken- oder Pflegekasse durch den Versicherten oder dessen Angehörige

2. Nach Antragstellung bei der Pflegekasse erfolgt die Begutachtung zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit durch den
    Medizinischen Dienst oder Medicproof

3. Erfassung der Tätigkeiten, bei denen Hilfe benötigt wird (z. B. Waschen, Anziehen, Essen) und die Dauer dieser Hilfe
  „Pflegetagebuch“

4. Wahl zwischen häuslicher und stationärer Pflege

5. Erfolgt die Pflege durch Angehörige oder durch einen ambulanten Pflegedienst?

6. Anforderung eines Kostenvergleiches der zugelassenen ambulanten Pflegedienste oder stationären Pflegeeinrichtungen
Hilfe zur Findung eines geeigneten Pflegeheimes bietet Ihnen die Internetseite www.bkk-pflegefi nder.de. Dort können Sie
in einem bestimmten Ort oder im Umkreis von einer vorgegebenen Postleitzahl ein Pflegeheim suchen und erhalten eine
detaillierte Bewertung über die Qualität der Pflegeeinrichtung.

Pflegetagegeldversicherung

Für jeden Tag der festgestellten Pflegebedürftigkeit, nach Ablauf der tariflichen Karenzzeit, erhält der Versicherte ein
Tagegeld, ohne dass die tatsächlichen Kosten nachgewiesen werden müssen. Das Pflegetagegeld wird nach den fünf Pflegegraden gestaffelt.

Pflegekostenversicherung
Die Pflegekostenversicherung dient als prozentuale Aufstockung der sozialen bzw. privaten Pflegepflichtversicherung. Verbleibende Kosten, die nach Ausschöpfung des Höchstsatzes der Pflegepflichtversicherung entstehen, können somit gedeckt werden. Die Pflegekostenversicherung kommt nur für nachgewiesene Kosten auf. Der Versicherte muss also die Rechnung des Pflegeheimes oder des Pflegedienstes einreichen. Die Kostenerstattung beschränkt sich dabei auf die im Katalog der gesetzlichen Pflegeversicherung aufgeführten Leistungen. Durch die Bindung der Pflegekostenversicherung an den Kassensatz kann die Leistung geringer ausfallen.

Pflegerentenversicherung
Die Pflegerente ist, anders als die Pflegetagegeld- und Pflegekostenversicherung, Bestandteil der Lebensversicherung. Das
Risiko, zu einem Pflegefall zu werden, wird mit einer Renten- oder Kapitallebensversicherung abgesichert. Der Versicherte erhält eine monatliche Rentenzahlung seines Versicherers. Die Höhe des Auszahlungsbetrages richtet sich ausschließlich nach dem Grad der Pflegebedürftigkeit, der Staffelung des gewählten Tarifs und der frei vereinbarten Rente. Die Höhe und Art der tatsächlichen Aufwendungen sowie der Ort der Pflege haben keinen Einfluss auf die Zahlung. Der Beitrag zur Pflegerentenversicherung ist tendenziell höher, da der Lebensversicherer, im Gegensatz zu den Krankenversicherungsunternehmen, seine zugesagte Leistung nicht mehr durch Beitragsanpassungsklauseln nachträglich verändern kann. Jedoch bietet die Pflegerentenversicherung eine Überschussbeteiligung an, die sich auch zur Beitragsreduktion einsetzen lässt.

Was es sonst noch gibt - „Pflege-Bahr“

Bei Pflege-Bahr handelt es sich um eine staatlich geförderte Pflegeergänzungsversicherung (60 Euro pro Jahr). Bedingt durch die Annahmeverpflichtung der Versicherer eignet sich dieser Lösungsweg für Kunden, die bereits eine gewisse Krankengeschichte vorweisen. Hierbei sollte jedoch bedacht werden, dass eine Wartezeit von bis zu fünf Jahren abzuleisten ist, die absicherbaren Sätze begrenzt und in der Regel nicht ansatzweise ausreichend sind, um die Versorgungslücke zu schließen. Wer auf „regulärem Weg“ Schutz erhalten kann, fährt mit diesem deutlich besser.

Fazit:
Der rechtzeitige Abschluss einer privaten Pflegezusatzversicherung schützt Versicherte und deren Angehörige vor einer finanziellen Überbelastung bei Eintritt eines Pflegefalls. Entstehende Versorgungslücken können geschlossen und eine optimierte Pflege sichergestellt werden.

 

Bildquellenangabe: Karin Jung  / pixelio.de  

 

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